Kiesewetter will im November 2014 Kenntnis davon erlangt haben, dass in seinem Reservistenverband zwei Personen für den BND arbeiten und fühlt sich nun vom Bundesnachrichtendienst (BND) hintergangen. Die Frage steht im Raum, warum Kieswetter erst jetzt Konsequenzen zieht. Als ehemaliger Generalstabsoffizier (Oberst a.D.) und ehrenamtlicher Präsident des Reservistenverbandes hätte Kieswetter zumindest ahnen können, dass der BND mit ehemaligen Bundeswehrleuten zusammenarbeitet.
Stephanie: Carsten, Du warst bei der Bundeswehr, richtig?
Carsten: Das ist richtig, ich war als Zeitsoldat in der Fernmeldetruppe beim Heer.
Stephanie: Wie lange? Wann bist du ausgeschieden?
Carsten: Ich habe meinen Wehrdienst (damals noch Pflicht) als Rekrut im Januar 1988 in Buxtehude begonnen. Ausgeschieden bin ich dann nach 12 Jahren am 31.12.1999 in Hannover als Oberfeldwebel
Stephanie: Nach Ende deiner Dienstzeit hast du Post vom BND bekommen. Was stand da drin?
Carsten: Nicht ganz, das Schreiben erreichte mich bereits noch zu meiner aktiven Dienstzeit. Es war ein brauner DIN A5 Briefumschlag, ich erinnere mich noch daran, dass ich den Absender überhaupt nicht zuordnen konnte. Es handelte sich dabei um einen per Stempel aufgebrachten Fakeabsender. Inhalt des Umschlags waren mehrere vorgefertigte Berwerbungsformulare für den Dienst beim BND, welche man ausfüllen und an eine vorgegebene Adresse verschicken sollte.
Stephanie: Und? Hast du das Angebot angenommen?
Carsten: Nein, ich habe das Angebot damals nicht angenommen, die Unterlagen sind nicht zurück nach Pullach gegangen. Ich ärgere mich aber heute, dass ich sie nicht aufgehoben habe.
Stephanie: Warum wolltest du nicht für den BND arbeiten?
Carsten: Das kann ich heute gar nicht mehr so pauschal beantworten, abgesehen davon wäre die Antwort vermutlich auch nicht wirklich heldenhaft. Die Ablehnung des Angebots damals war mehr pragmatischer Natur, etwa wie “…Arbeitsort liegt nicht in der Nähe vom Wohnort” oder so. Meine Zwillinge wurden 1995 geboren, so dass solche Kriterien dann nach Ende meiner Dienstzeit bei der Bundeswehr eine Rolle spielten. Sicherlich kam auch eine kritische Betrachtung des Arbeitgebers hinzu, aber gewiß nicht in dem Maße, wie es heute der Fall wäre.
Stephanie: Inwiefern hat sich deine Betrachtungsweise da geändert? Weshalb siehst du den BND heute kritischer als damals?
Carsten: Es ist doch ähnlich, wie mit der Polizei. Solange man diese Institution nur von aussen betrachtet und sich mit der Materie nicht näher beschäftigt, sieht man lediglich die eventuell auch sinnvollen Tätigkeiten. Interessant und wesentlich kritischer wird es aber, wenn man mal hinter die Kulissen schaut und auch Gewalt ausgehend von Unifomierten erleben durfte. Man sollte sich die orginären Aufgaben des BND einmal genauer anschauen und vor allem, mit welchen Ämtern der BND alleine im Inland auf einer Ebene agiert. Ich kann mir hier neben einer guten Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auch eine ebensolche mit dem Militärischen Abschirm Dienst (MAD) sehr gut vorstellen. Die Tätigkeiten und Arbeitsweisen sind vergleichbar und man kann voneinander lernen bzw. sich ergänzen. Die Problematik bei solchen Diensten liegt aber immer in der Überwachung eben dieser selbst. Wer kontrolliert den Spitzel und ist sichergestellt, dass dort auch eben entsprechend objektiv gearbeitet wird? Erschwerend kommt hier natürlich noch hinzu, welche Rolle denn der BND im Zusammenhang mit dem NSA-Skandal spielt. Konkret, wozu benötige ich als Bürger einen Auslandsnachrichtendienst, der die Daten der eigenen Bevölkerung in solch einem Umfang an Dienste anderer Länder weitergibt?
Stephanie: Haben Kollegen von dir auch Post gekommen? Ist das eine ganz “normale” Vorgehensweise beim BND?
Carsten: Ich kann mich an Gespräche erinnern, aus denen dieses klar hervorging. Ob es allerdings als “normal” bezeichnet werden kann, entzieht sich meiner Kenntnis. Da ich aber keiner “Eliteeinheit” angehörte, kann davon ausgegangen werden, dass etliche andere ebenfalls angefragt wurden. Viele Zeitsoldaten stehen zum Ende ihrer Dienstzeit im Alter von Ende zwanzig, Anfang dreißig vor der Frage, wie es beruflich weitergehen soll. Ein krisensicheres Angebot kommt da manchem sicherlich sehr gelegen.
Stephanie: Warum hat der BND ein Interesse ehemalige Soldaten der Bundeswehr als Mitarbeiter zu rekrutieren?
Carsten: In bestimmten Bereichen der Bundeswehr wurden die Soldaten von oben bis unten bereits durchleuchtet, bis hin zu Befragung von Referenzpersonen aus dem persönlichen Umfeld durch den MAD. Dies geschah in dem Zusammenhang, um für die unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen berechtigt zu werden. Im Bereich der Fernmeldetruppe ging das bei mir dann beispielsweise bis “Geheim“. Dieses Vorgehen hatte für den BND den großen Vorteil, dass sie von der Vorarbeit ihrer Kollegen vom MAD profitieren konnten.
Stephanie: Was gehört zu so einer “Durchleuchtung” alles dazu? Welche Fragen werden diesen “Referenzpersonen” gestellt?
Carsten: An die Fragen kann ich mich konkret im Einzelnen nicht mehr erinnern, es waren mehrseitige Fragebögen. Ich weiß aber noch, dass sie auch den persönlichen, privaten Bereich mit abgedeckt haben. Der MAD prüfte eben diese Angaben nicht zuletzt durch ein Gespräch mit den Referenzpersonen ab und versuchte so eine Kausalität herzustellen.
Stephanie: Beim NSA Untersuchungsausschuss saß schon öfter ein Offizier der Fernmeldetruppe hinter der Regierungsbank: Oberstleutnant Elmar Henschen, ehemaliger Kommandeur des EloKa-Bataillons 932. Kannst du uns erklären, warum die “elektronische Kampfführung” als Beobachter dabei ist? Hast du eine Vermutung?
Carsten: Nein, ich weiß auch nicht, ob hier überhaupt ein Zusammenhang besteht. Es ist durchaus üblich, dass Offiziere innerhalb ihres Werdeganges auch Tätigkeiten in anderen Bereichen übernehmen. Von daher, auch wenn es hier natürlich sehr passend wäre, kann es sich hierbei einfach um einen Zufall handeln. Interessant wäre hier zu wissen, in welcher Funktion Henschen denn inzwischen tätig ist.
Stephanie: Gab es zu deiner Zeit irgendwelche Kooperationen zwischen BND und Fernmeldern oder anderen Diensten?
Carsten: Da kann ich nur Vermutungen und nichts konkret Belegbares sagen. Von daher, dies ist vorstellbar und auch nicht wirklich abwegig.
Stephanie: Kannst du auf Grund deiner Erfahrungen Kieswetters Überraschung nachvollziehen, als er von der Zusammenarbeit seiner Kollegen mit dem BND erfuhr?
Carsten: Ich kenne den Werdegang Kiesewetters bei der Bundeswehr nicht im Detail. Allerdings würde es mich schon sehr wundern, wenn er als ehemaliger Generalstabsoffizier und aktueller Präsident des Reservistenverbandes keine Kenntnis von solchen Vorgehensweisen hat bzw. hatte. Wichtig wäre ja zu wissen, welche Tätigkeiten denn diese Menschen beim BND ausführen und warum und seit wann sie sich im Umfeld von Kiesewetter befinden.
Stephanie: Kiesewetter hätte also zumindest damit rechnen können, dass im Reservistenverband einige Personen schon mal vom BND angesprochen wurden und evtl. auch einer Zusammenarbeit zugestimmt haben?
Carsten: Meiner Ansicht nach ja, sicherlich.
Stephanie: Vielen Dank, Carsten.
Die nächste Sitzung des NSA Untersuchungsausschusses findet am Donnerstag, 26. Februar 2015, 11.30 Uhr im Paul-Löbe-Haus statt. Angehört werden die Zeugen
Herr E.B. (BND, ehem. Leiter der BND-Erfassungsstelle Schöningen im Jahr 2006)
Herr R.S. (BND, Mitarbeiter, der nach Zeugenaussage vom 5.2.2015 gegebenenfalls eine bestehende Zuständigkeit für Datenweitergaben im Projekt kabelgestützte Datenerfassung wahrgenommen hat)
Unter dem Hashtag #NSAUA können Interessierte die Berichterstattung live aus dem Ausschuss mitverfolgen. Wer Interesse hat, den Ausschuss als Zuschauer zu besuchen, findet auf den Webseiten des Untersuchungsausschusses Hinweise zur Anmeldung.
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Kiesewetter will im November 2014 Kenntnis davon erlangt haben, dass in seinem Reservistenverband zwei Personen für den BND arbeiten und fühlt sich nun vom Bundesnachrichtendienst (BND) hintergangen. Die Frage steht im Raum, warum Kieswetter erst jetzt Konsequenzen zieht. Als ehemaliger Generalstabsoffizier (Oberst a.D.) und ehrenamtlicher Präsident des Reservistenverbandes hätte Kieswetter zumindest ahnen können, dass der BND mit ehemaligen Bundeswehrleuten zusammenarbeitet.
Stephanie: Carsten, Du warst bei der Bundeswehr, richtig?
Carsten: Das ist richtig, ich war als Zeitsoldat in der Fernmeldetruppe beim Heer.
Stephanie: Wie lange? Wann bist du ausgeschieden?
Carsten: Ich habe meinen Wehrdienst (damals noch Pflicht) als Rekrut im Januar 1988 in Buxtehude begonnen. Ausgeschieden bin ich dann nach 12 Jahren am 31.12.1999 in Hannover als Oberfeldwebel
Stephanie: Nach Ende deiner Dienstzeit hast du Post vom BND bekommen. Was stand da drin?
Carsten: Nicht ganz, das Schreiben erreichte mich bereits noch zu meiner aktiven Dienstzeit. Es war ein brauner DIN A5 Briefumschlag, ich erinnere mich noch daran, dass ich den Absender überhaupt nicht zuordnen konnte. Es handelte sich dabei um einen per Stempel aufgebrachten Fakeabsender. Inhalt des Umschlags waren mehrere vorgefertigte Berwerbungsformulare für den Dienst beim BND, welche man ausfüllen und an eine vorgegebene Adresse verschicken sollte.
Stephanie: Und? Hast du das Angebot angenommen?
Carsten: Nein, ich habe das Angebot damals nicht angenommen, die Unterlagen sind nicht zurück nach Pullach gegangen. Ich ärgere mich aber heute, dass ich sie nicht aufgehoben habe.
Stephanie: Warum wolltest du nicht für den BND arbeiten?
Carsten: Das kann ich heute gar nicht mehr so pauschal beantworten, abgesehen davon wäre die Antwort vermutlich auch nicht wirklich heldenhaft. Die Ablehnung des Angebots damals war mehr pragmatischer Natur, etwa wie “…Arbeitsort liegt nicht in der Nähe vom Wohnort” oder so. Meine Zwillinge wurden 1995 geboren, so dass solche Kriterien dann nach Ende meiner Dienstzeit bei der Bundeswehr eine Rolle spielten. Sicherlich kam auch eine kritische Betrachtung des Arbeitgebers hinzu, aber gewiß nicht in dem Maße, wie es heute der Fall wäre.
Stephanie: Inwiefern hat sich deine Betrachtungsweise da geändert? Weshalb siehst du den BND heute kritischer als damals?
Carsten: Es ist doch ähnlich, wie mit der Polizei. Solange man diese Institution nur von aussen betrachtet und sich mit der Materie nicht näher beschäftigt, sieht man lediglich die eventuell auch sinnvollen Tätigkeiten. Interessant und wesentlich kritischer wird es aber, wenn man mal hinter die Kulissen schaut und auch Gewalt ausgehend von Unifomierten erleben durfte. Man sollte sich die orginären Aufgaben des BND einmal genauer anschauen und vor allem, mit welchen Ämtern der BND alleine im Inland auf einer Ebene agiert. Ich kann mir hier neben einer guten Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auch eine ebensolche mit dem Militärischen Abschirm Dienst (MAD) sehr gut vorstellen. Die Tätigkeiten und Arbeitsweisen sind vergleichbar und man kann voneinander lernen bzw. sich ergänzen. Die Problematik bei solchen Diensten liegt aber immer in der Überwachung eben dieser selbst. Wer kontrolliert den Spitzel und ist sichergestellt, dass dort auch eben entsprechend objektiv gearbeitet wird? Erschwerend kommt hier natürlich noch hinzu, welche Rolle denn der BND im Zusammenhang mit dem NSA-Skandal spielt. Konkret, wozu benötige ich als Bürger einen Auslandsnachrichtendienst, der die Daten der eigenen Bevölkerung in solch einem Umfang an Dienste anderer Länder weitergibt?
Stephanie: Haben Kollegen von dir auch Post gekommen? Ist das eine ganz “normale” Vorgehensweise beim BND?
Carsten: Ich kann mich an Gespräche erinnern, aus denen dieses klar hervorging. Ob es allerdings als “normal” bezeichnet werden kann, entzieht sich meiner Kenntnis. Da ich aber keiner “Eliteeinheit” angehörte, kann davon ausgegangen werden, dass etliche andere ebenfalls angefragt wurden. Viele Zeitsoldaten stehen zum Ende ihrer Dienstzeit im Alter von Ende zwanzig, Anfang dreißig vor der Frage, wie es beruflich weitergehen soll. Ein krisensicheres Angebot kommt da manchem sicherlich sehr gelegen.
Stephanie: Warum hat der BND ein Interesse ehemalige Soldaten der Bundeswehr als Mitarbeiter zu rekrutieren?
Carsten: In bestimmten Bereichen der Bundeswehr wurden die Soldaten von oben bis unten bereits durchleuchtet, bis hin zu Befragung von Referenzpersonen aus dem persönlichen Umfeld durch den MAD. Dies geschah in dem Zusammenhang, um für die unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen berechtigt zu werden. Im Bereich der Fernmeldetruppe ging das bei mir dann beispielsweise bis “Geheim“. Dieses Vorgehen hatte für den BND den großen Vorteil, dass sie von der Vorarbeit ihrer Kollegen vom MAD profitieren konnten.
Stephanie: Was gehört zu so einer “Durchleuchtung” alles dazu? Welche Fragen werden diesen “Referenzpersonen” gestellt?
Carsten: An die Fragen kann ich mich konkret im Einzelnen nicht mehr erinnern, es waren mehrseitige Fragebögen. Ich weiß aber noch, dass sie auch den persönlichen, privaten Bereich mit abgedeckt haben. Der MAD prüfte eben diese Angaben nicht zuletzt durch ein Gespräch mit den Referenzpersonen ab und versuchte so eine Kausalität herzustellen.
Stephanie: Beim NSA Untersuchungsausschuss saß schon öfter ein Offizier der Fernmeldetruppe hinter der Regierungsbank: Oberstleutnant Elmar Henschen, ehemaliger Kommandeur des EloKa-Bataillons 932. Kannst du uns erklären, warum die “elektronische Kampfführung” als Beobachter dabei ist? Hast du eine Vermutung?
Carsten: Nein, ich weiß auch nicht, ob hier überhaupt ein Zusammenhang besteht. Es ist durchaus üblich, dass Offiziere innerhalb ihres Werdeganges auch Tätigkeiten in anderen Bereichen übernehmen. Von daher, auch wenn es hier natürlich sehr passend wäre, kann es sich hierbei einfach um einen Zufall handeln. Interessant wäre hier zu wissen, in welcher Funktion Henschen denn inzwischen tätig ist.
Stephanie: Gab es zu deiner Zeit irgendwelche Kooperationen zwischen BND und Fernmeldern oder anderen Diensten?
Carsten: Da kann ich nur Vermutungen und nichts konkret Belegbares sagen. Von daher, dies ist vorstellbar und auch nicht wirklich abwegig.
Stephanie: Kannst du auf Grund deiner Erfahrungen Kieswetters Überraschung nachvollziehen, als er von der Zusammenarbeit seiner Kollegen mit dem BND erfuhr?
Carsten: Ich kenne den Werdegang Kiesewetters bei der Bundeswehr nicht im Detail. Allerdings würde es mich schon sehr wundern, wenn er als ehemaliger Generalstabsoffizier und aktueller Präsident des Reservistenverbandes keine Kenntnis von solchen Vorgehensweisen hat bzw. hatte. Wichtig wäre ja zu wissen, welche Tätigkeiten denn diese Menschen beim BND ausführen und warum und seit wann sie sich im Umfeld von Kiesewetter befinden.
Stephanie: Kiesewetter hätte also zumindest damit rechnen können, dass im Reservistenverband einige Personen schon mal vom BND angesprochen wurden und evtl. auch einer Zusammenarbeit zugestimmt haben?
Carsten: Meiner Ansicht nach ja, sicherlich.
Stephanie: Vielen Dank, Carsten.
Die nächste Sitzung des NSA Untersuchungsausschusses findet am Donnerstag, 26. Februar 2015, 11.30 Uhr im Paul-Löbe-Haus statt. Angehört werden die Zeugen
Unter dem Hashtag #NSAUA können Interessierte die Berichterstattung live aus dem Ausschuss mitverfolgen. Wer Interesse hat, den Ausschuss als Zuschauer zu besuchen, findet auf den Webseiten des Untersuchungsausschusses Hinweise zur Anmeldung.
Dieser Artikel ist zuerst erschienen unter: http://flaschenpost.piratenpartei.de/2015/02/12/generalstabsoffizier-kapituliert-kiesewetter-verlaesst-nsa-ausschuss/
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