Zugegeben, in Niedersachsen sind die Nullen derzeit nicht schwarz, sondern rot-grün. Das Problem ist aber das gleiche – der Ausverkauf der Infrastruktur. Investitionsstau und Verfallenlassen bestehender Bauwerke, alles für einen ausgeglichenen Haushalt. Aber ist das so sinnvoll? Muss ein Staat sich nicht eine vernünftige Infrastruktur leisten? Und was ist eigentlich mit der Daseinsvorsorge?
Dazu ein Gastbeitrag von Jan Sören Kleebach aus Mainz.
Die Schiersteiner Brücke ist gesperrt. Für mehrere Tage oder gar Wochen – die Pressemeldungen sind sich da noch nicht ganz einig. Ein Brückenbauwerk direkt vor der eigentlichen Rheinbrücke ist defekt. Das war absehbar.
Die Schiersteiner Brücke ist eine der wenigen Rheinbrücken im Rhein-Main-Gebiet. Als Teil des Mainzer Autobahnrings ist sie eine sehr wichtige Brücke – eine von drei Straßenbrücken, die Mainz an den Großteil des Rhein-Main-Gebietes anbinden. Und was passiert? Auf rheinland-pfälzischer Seite brechen tragende Teile der Lenneberg-Hochstraße auseinander – dem Mainzer Zubringer-Teil zur Brücke. In der Folge bricht der Verkehr in der Umgebung zusammen, sowohl in der Mainzer Innenstadt wie auch im umgebenden Landkreis und bis ins fast 15 km entfernte Ingelheim.
Das eigentlich schlimme daran: Das Debakel kam mit Ansage. Seit Jahren schon ist die Geschwindigkeit auf der Schiersteiner Brücke auf 60 km/h begrenzt, da die Brücke für eine Sanierung zu marode ist. Das wurde 2006 festgestellt, nachdem die Brücke erst von 1997 bis 2000 saniert wurde. Es bleibt festzuhalten, dass die Brücke ursprünglich als Brücke einer Bundesstraße konzipiert wurde, nicht als Autobahnbrücke. Dies führt fast unweigerlich zu erhöhtem Verschleiß. Immerhin wird mittlerweile in wenigen Metern Entfernung eine neue Brücke gebaut.
Hier stellt sich ernsthaft die Frage, warum trotz immer wiederkehrender Begutachtungen das Problem der immer größer werdenden Schäden nicht rechtzeitig klar geworden ist. Dabei war den entscheidenden Politikern seit 2006 bekannt, dass eine Nutzung nur bis ins Jahr 2015 gesichert ist. Wäre es nicht so schlimm, dann könnte man darüber schmunzeln, wie pünktlich die Brücke aufgegeben hat. Genauso bekannt war auch, dass der Neubau erst frühestens 2019 nutzbar sein wird. Für die 4 Jahre braucht es eine Zwischenlösung.
Aber das aktuelle Geschehen zeigt sehr klar: Es gibt keine Konzepte für die Zwischenzeit. Man hat es offensichtlich einfach nicht für möglich gehalten, dass die Prognosen sich erfüllen. Um das (Nicht-)Handeln der Beteiligten zu erklären, kommen nur wenige Leitlinien in Betracht: das Prinzip Hoffnung, der Grundsatz »Augen zu und durch« oder natürlich der Artikel 3 des Rheinischen Grundgesetzes:
»Es is noch immer gut gegange.«
Kurzfristig hilft wohl nur eine kurzfristige, aber sehr kostenintensive Reparatur. Wir Piraten können ein derartiges Aussitzen bei absehbaren Problemen nicht nachvollziehen. Straßen und Brücken sind nicht nachhaltig nutzbar, wenn sie ständig übernutzt werden. Das ist klar – und es war auch schon vor dem Beginn der Sanierungen im Jahre 1997 absehbar.
Was steht nun für die Zukunft?
Soweit möglich muss Verkehr vermindert werden. Ist dies nicht möglich, muss der Verkehr auf allgemein verträglichen Verkehrsträgern stattfinden. Dies bedeutet in erster Linie eine Förderung des Umstiegs auf die Schiene. Insbesondere der Güterfernverkehr wächst in Zeiten der immer stärkeren Vernetzung des europäischen Warenverkehrs deutlich an und belastet Straßen und Brücken besonders stark. Deswegen haben die Piraten auch schon zur Bundestagswahl 2013 gefordert:
»Gütertransport gehört auf die Schiene oder das Wasser, soweit dieser dort möglich ist.«
und
»Wir setzen uns für die Förderung von verkehrs- und strukturpolitischen Maßnahmen zur Reduzierung des Verkehrsaufkommens ein.«
Natürlich müssen solche Veränderungen durch entsprechende Lärmschutzmaßnahmen begleitet werden. Ohne Lärmschutz wäre diese Verlagerung den Anliegern an Bahntrassen nicht vermittelbar. Eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität muss möglichst vermieden werden – es darf nicht sein, dass sie den Preis des Verkehrs für alle zahlen müssen.
Infrastruktur soll dem Bedarf angepasst sein. Dieser Anspruch umfasst aber nicht nur den Bedarf zum Zeitpunkt des Baus, sondern muss über die gesamte Betriebszeit garantiert sein. Eigentlich ist es doch ganz einfach: Eine Straße muss auch in 20, 30 oder 50 Jahren noch den Verkehr aufnehmen können – soll aber auch nicht wie ausgestorben in der Landschaft liegen.
In Zeiten der von Bund und Ländern festgeschriebenen Schuldenbremsen und den Lobliedern auf die »Schwarze Null« sind derartige bedarfsangemessene Entscheidungen jedoch nicht zu erwarten. Betrachtet man die Folgen heutiger Nicht-Investitionen in Reparaturen, so kommt es zu großen Sanierungen und Neubauten, die – wie bei der Schiersteiner Brücke geschehen – unnötig weiter verzögert werden, bis der Verkehr steht. Diese Sanierungen und Neubauten sind deutlich teurer als die rechtzeitige Durchführung notwendiger Reparaturen. Eine solche finanzielle Nachhaltigkeit wird mit der Schuldenbremse nicht berücksichtigt, ist aber im Hinblick auf die Verantwortung für zukünftige Generationen dringend geboten.
Die Bundesregierung muss sich fragen lassen: Wie soll man mit einer so sturen Orientierung an einer »Schwarzen Null« zukunftsfähige Infrastruktur bereitstellen? Und den Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz fragen wir: Wie soll für die nächsten Jahre die Betriebsfähigkeit der A643 sichergestellt werden?
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Zugegeben, in Niedersachsen sind die Nullen derzeit nicht schwarz, sondern rot-grün. Das Problem ist aber das gleiche – der Ausverkauf der Infrastruktur. Investitionsstau und Verfallenlassen bestehender Bauwerke, alles für einen ausgeglichenen Haushalt. Aber ist das so sinnvoll? Muss ein Staat sich nicht eine vernünftige Infrastruktur leisten? Und was ist eigentlich mit der Daseinsvorsorge?
Dazu ein Gastbeitrag von Jan Sören Kleebach aus Mainz.
Die Schiersteiner Brücke ist gesperrt. Für mehrere Tage oder gar Wochen – die Pressemeldungen sind sich da noch nicht ganz einig. Ein Brückenbauwerk direkt vor der eigentlichen Rheinbrücke ist defekt. Das war absehbar.
Die Schiersteiner Brücke ist eine der wenigen Rheinbrücken im Rhein-Main-Gebiet. Als Teil des Mainzer Autobahnrings ist sie eine sehr wichtige Brücke – eine von drei Straßenbrücken, die Mainz an den Großteil des Rhein-Main-Gebietes anbinden. Und was passiert? Auf rheinland-pfälzischer Seite brechen tragende Teile der Lenneberg-Hochstraße auseinander – dem Mainzer Zubringer-Teil zur Brücke. In der Folge bricht der Verkehr in der Umgebung zusammen, sowohl in der Mainzer Innenstadt wie auch im umgebenden Landkreis und bis ins fast 15 km entfernte Ingelheim.
Das eigentlich schlimme daran: Das Debakel kam mit Ansage. Seit Jahren schon ist die Geschwindigkeit auf der Schiersteiner Brücke auf 60 km/h begrenzt, da die Brücke für eine Sanierung zu marode ist. Das wurde 2006 festgestellt, nachdem die Brücke erst von 1997 bis 2000 saniert wurde. Es bleibt festzuhalten, dass die Brücke ursprünglich als Brücke einer Bundesstraße konzipiert wurde, nicht als Autobahnbrücke. Dies führt fast unweigerlich zu erhöhtem Verschleiß. Immerhin wird mittlerweile in wenigen Metern Entfernung eine neue Brücke gebaut.
Hier stellt sich ernsthaft die Frage, warum trotz immer wiederkehrender Begutachtungen das Problem der immer größer werdenden Schäden nicht rechtzeitig klar geworden ist. Dabei war den entscheidenden Politikern seit 2006 bekannt, dass eine Nutzung nur bis ins Jahr 2015 gesichert ist. Wäre es nicht so schlimm, dann könnte man darüber schmunzeln, wie pünktlich die Brücke aufgegeben hat. Genauso bekannt war auch, dass der Neubau erst frühestens 2019 nutzbar sein wird. Für die 4 Jahre braucht es eine Zwischenlösung.
Aber das aktuelle Geschehen zeigt sehr klar: Es gibt keine Konzepte für die Zwischenzeit. Man hat es offensichtlich einfach nicht für möglich gehalten, dass die Prognosen sich erfüllen. Um das (Nicht-)Handeln der Beteiligten zu erklären, kommen nur wenige Leitlinien in Betracht: das Prinzip Hoffnung, der Grundsatz »Augen zu und durch« oder natürlich der Artikel 3 des Rheinischen Grundgesetzes:
Kurzfristig hilft wohl nur eine kurzfristige, aber sehr kostenintensive Reparatur. Wir Piraten können ein derartiges Aussitzen bei absehbaren Problemen nicht nachvollziehen. Straßen und Brücken sind nicht nachhaltig nutzbar, wenn sie ständig übernutzt werden. Das ist klar – und es war auch schon vor dem Beginn der Sanierungen im Jahre 1997 absehbar.
Was steht nun für die Zukunft?
Soweit möglich muss Verkehr vermindert werden. Ist dies nicht möglich, muss der Verkehr auf allgemein verträglichen Verkehrsträgern stattfinden. Dies bedeutet in erster Linie eine Förderung des Umstiegs auf die Schiene. Insbesondere der Güterfernverkehr wächst in Zeiten der immer stärkeren Vernetzung des europäischen Warenverkehrs deutlich an und belastet Straßen und Brücken besonders stark. Deswegen haben die Piraten auch schon zur Bundestagswahl 2013 gefordert:
und
Natürlich müssen solche Veränderungen durch entsprechende Lärmschutzmaßnahmen begleitet werden. Ohne Lärmschutz wäre diese Verlagerung den Anliegern an Bahntrassen nicht vermittelbar. Eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität muss möglichst vermieden werden – es darf nicht sein, dass sie den Preis des Verkehrs für alle zahlen müssen.
Infrastruktur soll dem Bedarf angepasst sein. Dieser Anspruch umfasst aber nicht nur den Bedarf zum Zeitpunkt des Baus, sondern muss über die gesamte Betriebszeit garantiert sein. Eigentlich ist es doch ganz einfach: Eine Straße muss auch in 20, 30 oder 50 Jahren noch den Verkehr aufnehmen können – soll aber auch nicht wie ausgestorben in der Landschaft liegen.
In Zeiten der von Bund und Ländern festgeschriebenen Schuldenbremsen und den Lobliedern auf die »Schwarze Null« sind derartige bedarfsangemessene Entscheidungen jedoch nicht zu erwarten. Betrachtet man die Folgen heutiger Nicht-Investitionen in Reparaturen, so kommt es zu großen Sanierungen und Neubauten, die – wie bei der Schiersteiner Brücke geschehen – unnötig weiter verzögert werden, bis der Verkehr steht. Diese Sanierungen und Neubauten sind deutlich teurer als die rechtzeitige Durchführung notwendiger Reparaturen. Eine solche finanzielle Nachhaltigkeit wird mit der Schuldenbremse nicht berücksichtigt, ist aber im Hinblick auf die Verantwortung für zukünftige Generationen dringend geboten.
Die Bundesregierung muss sich fragen lassen: Wie soll man mit einer so sturen Orientierung an einer »Schwarzen Null« zukunftsfähige Infrastruktur bereitstellen? Und den Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz fragen wir: Wie soll für die nächsten Jahre die Betriebsfähigkeit der A643 sichergestellt werden?
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