Pressemitteilung

Auch bei Gülle zum Exportweltmeister!

Uns steht die Scheiße bis zum Hals und das nicht erst seit dem verregneten Herbst. Mit den Gülleüberschüssen aus niedersächsischer Intensivhaltung können ganze 100 000 ha Land gedüngt werden, so die Anpreisung der niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Frau Otte-Kinast. [1] Gülle exportieren – eine super Idee! Am besten die Niederländer fragen, vielleicht nehmen die etwas zurück! Nein? Dann fahren die Gülletanklaster einfach durch bis Rotterdam und füllen gelöschte Öltanker aus Nigeria wieder auf. Leerfahrt gespart, Afrika beglückt, Gülleproblem gelöst. Ein dreifaches win-win-win!

Wir müssen nicht so übertreiben, um zu erkennen, das hier etwas falsch läuft. Statt die Ursachen zu bekämpfen, wird wieder einmal nur an den Symptomen gedreht. Die Agrarpolitische Sprecherin der Piratenpartei Niedersachsen, Annette Berndt, äußert sich dazu wie folgt:

“Gülle, die Menge macht´s – macht´s unerträglich und Lebensmittel teuer.

Grundsätzliches vorweg: Niemand wird in Zweifel ziehen, dass aus der Tierhaltung anfallende Exkremente, nebenbei auch Klärschlämme aus Siedlungen, wieder als Dünger auf die Felder gehören, damit Nährstoffkreisläufe geschlossen werden. Soweit die Theorie einer nachhaltigen Landwirtschaft, wenn die Menge stimmt. Aber eben diese Mengen stimmen in Niedersachsen schon lange nicht mehr. Seit Jahren werden in diesem Bundesland im Verhältnis zur Fläche die bundesweit meisten Tiere gehalten [2].

Die Voraussetzung für große und sehr große Tierbestände wurden mit der Neuformulierung der landwirtschaftlichen Tierhaltung im BauGB § 201 im Jahr 2004 geschaffen. Bis dahin war die Anzahl der Tiere im Betrieb durch den Umfang an Wiesen-, Weiden- und Ackerflächen gedeckelt, denn das Futter musste zum überwiegenden Teil im Betrieb erwirtschaftet werden. Aus „muss“ wurde „kann“ und damit die zunehmende Entkopplung des Tierbestands von der Fläche eingeleitet. Dass auch für die anfallenden Mengen an Wirtschaftsdünger Flächen notwendig sind, wurde im BauGB gar nicht betrachtet [3].

Während die einen an der Bewirtschaftung ihrer Äcker und des Grünlands mit daran angepassten Viehbeständen festhielten, stiegen andere in die gewerbliche Tierhaltung nach industriellen Maßstäben ein, ganz losgelöst von ihrer Feldbewirtschaftung. Per Definition alles „Landwirtschaft“ mit Zugang zu den entsprechenden Fördertöpfen und Vergünstigungen. Die Überdüngung der Böden in Regionen mit besonders hohem Viehbestand war nur eine Frage der Zeit [4].

Die Landwirtschaftsministerin Frau Otte-Kinast spricht über Exporterleichterung und bessere Transportbedingungen durch die Aufbereitung von Wirtschaftsdüngern. Was zunächst logisch klingt, nämlich Gülle-Überschüsse in die vieharmen Ackerbau-Regionen zu exportieren, um dort Mineraldünger einzusparen, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen aber nicht als win-win-, sondern eher als lose-lose-Situation. Die Separierung und Aufbereitung der Gülle, um durch Verringerung des Volumens die ökonomisch sinnvolle Transportdistanz zu erhöhen, erfolgt in großtechnischen Anlagen, die Platzverbrauch, Emissionen und Kosten verursachen, ebenso der Transport selbst [5, 6].

Sind da etwa Investitionsförderung oder Zinsverbilligung zum Vorteil für gewerbliche Tier- und Gülleproduzenten geplant? Dann würden nicht die Probleme bearbeitet, sondern im Gegenteil, gerade das System der Tierhaltung gestützt, dass die Probleme verursacht. Die Mehrkosten für den Gülle-Export erhöhen die Produktionskosten und damit den Erzeugerpreis, also wird das Fleisch teurer [6].

Dass für Lebensmittel wie Fleisch und Milch der Preis bezahlt wird, den eine gute Tierhaltung und die Arbeit der Landwirte verdienen, ist überfällig, eine Preiserhöhung für Gülleexport aber ist Betrug am gutgläubigen Kunden.”

Quellen:
[1]
www.nwzonline.de/wirtschaft/weser-ems/hannover-landwirtschaft-ministerin-lebensmittel-kuenftig-teurer_a_50,0,2510150908.html

[2] https://www.ml.niedersachsen.de/download/124920/Die_niedersaeschsische_Landwirtschaft_in_Zahlen_2017.pdf S. 10: Niedersachsen im Vergleich zu den übrigen Bundesländern.
[3] Besatzobergrenzen in der Tierhaltung Rechtliche Steuerungsmöglichkeiten des Bundes
www.bundestag.de/blob/514878/9e842ffb5b18b1dd1eee7efbba565db4/wd-7-066-17-pdf-data.pdf S.8: „Die Neuformulierung des § 201 BauGB im Jahre 2004 stellt damit die Entkoppelung (abstrakte Futtergrundlage) der bis dahin vorherrschenden wechselseitigen Verknüpfung von Tierhaltung sowie Ackerbau, Wiesen- und Weidewirtschaft dar“.
[4] www.ml.niedersachsen.de/download/115573/Naehrstoffbericht_2015_2016.pdf S. 24-27
[5] https://www.topagrar.com/archiv/Ueberschuessige-Guelle-separieren-1354842.html
[6] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_80_2015_aufbereitung_und_transport_von_wirtschaftsduengern_0.pdf S. 82: Kosten der Aufbereitung

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