Am 08. und 09.06. fand in der Landeshauptstadt Hannover der diesjährige CSD als der erste dieses Jahres in Niedersachsen statt. Unser Landesvorsitzender Thomas Ganskow war eingeladen, eine Rede zu halten. Seine Entscheidung fiel auf eine Darstellung des Gesetzentwurfes zur Überarbeitung des Transsexuellengesetzes. Hier der Text, auf dem die Rede fußte. Danke an die Bundesthemenbeauftragte Queerplitik, Zoey Matthies, für den Input.
Was lange währt…
Seit so vielen Jahren wird eine Reform des „Transsexuellengesetzes“ (TSG) gefordert und endlich soll es soweit sein: Justiz- und Innenministerium legen einen Gesetzesentwurf vor und verschlimmbessern damit die Lage für Betroffene.
Mit fast 40 Jahren ist es massiv veraltet. Mehrere Teile wurden bereits vom Verfassungsgericht gekippt und so ist es wenig verwunderlich, dass jetzt eine Reform kommen soll. Grund für den Vorstoß von Justiz- und Innenministerium dürfte aber das Gesetz zum „dritten Geschlechtseintrag“ sein, welches Anfang des Jahres in Kraft trat. Auch der Weg dort hin, war eine gefühlte Ewigkeit lang. Ich setze also dort an, wo ich im letzten Jahr aufgehört habe.
Hatte ich damals bemängelt, dass die Verbände vor dem ersten Entwurf überhaupt nicht beteiligt wurden, so waren es dieses Mal ganze 48 Stunden. Bedenkt man, dass es nahezu unmöglich ist, in einer ehrenamtlichen Organisation – und die meisten queerpolitischen Organisationen sind nun mal genau wie wir Piraten ehrenamtlich aktiv – umfangreich Stellung nehmen zu können, dann kann man schon davon ausgehen, dass fachliche Beteiligung gar nicht erwünscht war.
…wird nicht immer gut
Man weiß kaum, wo man beginnen soll mit dem, was hier wieder offensichtlich von Ministeriengehirnen erdacht wurde, die wenig bis kein Verständnis für die Folgen ihrer Worte besitzen.
So soll zwar die Pflicht zu zwei psychotherapeutischen Gutachten wegfallen. Diese mussten bisher selbst gezahlt werden und das konnte gerne mal 1000 € kosten. Stattdessen wird es nun eine „Beratung“ geben, deren Kosten der Staat trägt. Genau hier wird es aber wieder schwierig:
Denn bei der „Beratung“ geht es nicht darum, die Betroffenen über mögliche Behandlungswege und Risiken, sowie rechtliche Dinge aufzuklären, sondern darum, am Ende zu bescheinigen – Zitat – „ob sich die betroffene Person ernsthaft und dauerhaft einem anderen oder keinem Geschlecht als zugehörig empfindet“. Das ist Erneute Fremdbestimmung. Wieder einmal muss man darauf hoffen, dass die beratende Person einem gut gesonnen ist und sich nicht als transphob herausstellt.
Hat man nun also die Bescheinigung in der Tasche, wird es Zeit für den nächsten Schritt: Das Gericht. Ja, richtig! Anstatt mit der Bescheinigung einfach zum Standesamt zu gehen und den Geschlechtseintrag ändern zu lassen, muss man weiterhin durch ein Gerichtsverfahren, welches wiederum oft mehrere hundert Euro Kosten und mehrere Monate Wartezeit mit sich bringt. Nicht zu vergessen die psychische Belastung, die daraus folgt, vor Gericht dafür kämpfen zu müssen, endlich man selbst sein zu dürfen.
Und damit kommen wir auch schon zu einer der schlimmsten Neuerungen: Bist du verheiratet, werden auch die jeweiligen Partner angehört. Das klingt zwar erst einmal logisch, ist aber eine sehr schlechte Idee. Der Umgang mit der Transidentität der Partnerin ist nicht immer einfach und leider gibt es auch so manch extreme Reaktionen, um die Transition zu verhindern. Zum Beispiel den Versuch, das gemeinsame Sorgerecht zu entziehen. Dieser Extremfall wird jetzt noch massiv verschärft. So kann eine Aussage, die jener der betroffenen Person entgegensteht, im Zweifel dazu führen, dass das Gerichtsverfahren verloren wird.
Und dann stehen drei Jahre Wartezeit für einen erneuten Antrag auf der Uhr. Wenn man also das Pech hat, Gutachter oder Richter zu erwischen, die ein Problem mit Trans*Menschen haben, bedeutet das im schlimmsten Fall weitere drei Jahre verschenkte Lebenszeit. Das ist eine Beschränkung von Freiheit.
Es gibt noch zahlreiche weitere Probleme. Leider sind meine fünf Minuten fast um. Ich möchte also ein paar Verbesserungsvorschläge einbringen:
Was braucht ein neues Trans*Gesetz
Hinsichtlich des Geschlechtseintrags sehe ich zwei sinnvolle Optionen. Entweder jeder Mensch bekommt die freie Wahl und kann den Eintrag auf Wunsch ändern lassen, oder wir schaffen ihn einfach gleich ab. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer stärker danach trachtet, die Geschlechtergrenzen aufzuheben.
Eine Beratung halte ich für sinnvoll, aber bitte eine echte Beratung, kein verstecktes Gutachten. Hier sollte über die medizinischen Vorgänge, die rechtlichen Änderungen und alle Aspekte rund um die Transition aufgeklärt werden. Meinetwegen auch über mehrere Sitzungen. Das Entscheidende: Die beratende Person bescheinigt nur die Teilnahme an der Beratung, nicht ob sie die betroffene Person als trans sieht. Dadurch ist sichergestellt, dass umfassend informiert wurde, ohne jedoch in die Selbstbestimmung einzugreifen.
Als dritter Punkt sollte das Gerichtsverfahren wegfallen. Gerichtsverfahren kosten Unmengen an Geld, Zeit und Nerven, nur damit man am Ende für knappe 10 Minuten vor der Richterin steht. Stattdessen sollte ein einfacher Gang zur zuständigen Behörde genügen. Zu dieser bringt man dann die oben genannte Beratungsbescheinigung mit und die Sache ist erledigt.
Es kann so einfach sein. Warum müssen Gesetze alles so kompliziert machen? Nun, seit gestern wissen wir es. Sie sind kompliziert, damit möglichst wenig Widerstand entsteht. Sorry, Herr Seehofer, das hat hier nicht geklappt. Der Widerstand ist da. Und gemeinsam werden wir auch diese Klippen umschiffen.
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