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Das Recht auf Telearbeit

Gastbeitrag von Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender und Kommissarischer Landesvorsitzender der Piraten Niedersachsen

Auf heise.de las ich, dass der Staatssekretär Björn Böhning gerne einen gesetzlichen Anspruch auf Telearbeit bzw. Home Office schaffen möchte. (1) Auch für ein Flächenland wie Niedersachsen hört sich das interessant an.

Persönlich bin ich ein großer Fan nicht nur von Home Office, sondern generell von ortsungebundenem Arbeiten. Vermutlich etwas das jeder kennt, der mal im Vertrieb gearbeitet hat und ein hohes Maß an Reisetätigkeit leistet. Daher ist die Intention für mich verständlich – nämlich jedem Menschen ein Recht auf diese Freiheit einzuräumen.

Die Möglichkeit zu ortsungebundenem Arbeiten ist im Rahmen der derzeitigen Digitalen Wende tatsächlich eine der unmittelbarsten Maßnahmen für mehr Selbstbestimmtheit, wenn richtig umgesetzt. Darüberhinaus ist ortsungebundenes Arbeiten für mich ein wichtiges Puzzleteil in Bezug auf umfangreiche Änderungen in den Rahmenbedingungen unserer Gesellschaft. Was mein ich damit? Wir streben derzeit in die Städte. Dort finden wir die medizinische genauso wie die kulturelle Infrastruktur, die wir uns wünschen. Dort finden wir Arbeitsplätze, dort sind die Bildungseinrichtungen, die wir für uns und/oder unsere Kinder für wichtig halten. Gleichzeitig führt dies zu Problemen wie galoppierenden Mietpreisen, Verkehrskollaps und vielem mehr.

Home Office, also beispielsweise an drei von fünf Tagen zu Hause zu arbeiten, ist ein leichtes Mittel, die Städte zu entlasten. Frankfurt am Main beispielsweise hat etwa 750.000 Einwohner, 360.000 Menschen pendeln nach Frankfurt zur Arbeit. Pro Tag transportiert der RMV 2,5 Millionen Fahrgäste. Zwei Drittel aller in Frankfurt Beschäftigten wohnen NICHT in der Stadt, beschreibt IHK-Präsident Mathias Müller. Das Ausmaß an Pendelei würde mit mehr Telearbeit deutlich zurückgehen. Ohne das Leben außerhalb der Ballungsräume romantisieren zu wollen: Mit der Möglichkeit in Frankfurt zu arbeiten, aber im ländlicheren Raum zu wohnen, würden sich dort insbesondere für Familien gewiss mehr Möglichkeiten für ein gesundes und gemeinsames Leben ergeben, als in den Großstädten.

Unternehmen müssten für das Versagen der Regierung einstehen

Aber meiner Meinung nach ist es vollkommen verfehlt, nun an einem Gesetz zu arbeiten, das Unternehmen verpflichten soll Home Office zu ermöglichen, solange im Einzelfall kein wesentlicher Grund entgegensteht. Denn das Umland ist in etlichen Fällen dafür gar nicht vorbereitet. Die Infrastruktur steht dafür nicht bereit. Denn wenn ich als Unternehmen einem Mitarbeiter ermöglichen möchte, dass er sich aus der Ferne in meine Unternehmensinfrastruktur hineinverbindet, um von einem anderen Ort aus zu arbeiten, so muss ich dafür in der Regel eine stabile verschlüsselte Internetverbindung herstellen. Hierfür ist ein gewisser Datendurchsatz erforderlich, ich bin also darauf angewiesen, dass der Mitarbeiter einen Internetzugang mit der nötigen Bandbreite hat. Aus diesem Grund wäre es mir in diesen Fällen also als Unternehmen schlichtweg nicht möglich Telearbeit zu erlauben, selbst wenn ich es gerne würde.

Solange die Möglichkeit sich von extern zu verbinden nicht für alle Mitarbeiter erreicht ist, komme ich als Unternehmen in eine unangenehme Situation, die zu Reibungen innerhalb meiner Mitarbeiterschaft führen kann: Ich muss denjenigen, die in bereits infrastrukturell gut entwickelten Regionen leben, den Zugang gewähren, ich muss ihnen diese Selbsbestimmtheit erlauben (und will das vielleicht auch gerne). Gleichzeitig muss ich denjenigen, die bereits jetzt lange Zeiten mit Pendeln verbringen, und/oder nicht arbeitsnah mit in der Regel höheren Mieten wohnen können, genau diese Selbstbestimmtheit verwehren, da sie für mich ein Unternehmensrisiko darstellen würde (weil eine Verbidung mit angemessener Sicherheit in das Unternehmensnetz nicht möglich wäre). Ich muss also für die Unzulänglichkeit der bisherigen Regierungen geradestehen, nicht für entsprechende Bandbreite in Deutschland gesorgt zu haben.

Darüber hinaus stellt sich ganz grundsätzlich die Frage:

Warum sollte dies durch ein Gesetz geregelt werden?

Ist der normale Anreiz für ein Unternehmen nicht groß genug? Warum der Zwang durch ein Gesetz?

In meinen Augen ist ein Gesetz unnötig, da Unternehmen im Wettbewerb immer danach streben werden, die für sie besten Mitarbeiter zu bekommen. Daher werden sie auch die nötigen Veränderungen am Arbeitsumfeld vornehmen, wenn dies möglich und angemessen erscheint.

In den kommenden Jahren strebt die Generation der Millenials auf die internationalen Arbeitsmärkte. Unternehmen werden darauf angewiesen sein, diese als Mitarbeiter zu gewinnen. Anders als bisherige Generationen legen sie mehr wert auf Selbstverwirklichung und Lustgewinn. (2) Karrieren ködern sie weniger, als selbstbestimmt leben zu können. Unternehmen werden dadurch ohnehin zu Veränderungen gezwungen sein, um für sie als Arbeitgeber langfristig relevant zu sein und sie an das Unternehmen zu binden. Daher besteht keinerlei Regelungsbedarf, keine Notwendigkeit rechtliche Verpflichtungen zuschaffen.

Vermutlich ist es der über Jahre gelernte Reflex der SPD, wenn man Dinge verändern möchte, Gesetze zu schreiben, Menschen oder Unternehmen zu etwas zu zwingen, anstatt Anreize zu setzen, mit denen dann selbständig Entscheidungen getroffen werden können.

Ich sage: Verwendet die Energie lieber darauf, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die Infrastruktur, und Probleme wie diese werden sich von selbst regeln.

(1) https://www.heise.de/newsticker/meldung/Arbeitsministerium-SPD-Staatssekretaer-fordert-Recht-auf-Home-Office-4266199.html
(2) https://www.telegraph.co.uk/women/work/problem-millennials-workplace/

Erstveröffentlichung unter https://www.sebastian-alscher.de/2019/01/06/das-recht-auf-telearbeit/

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