Arbeits- und Sozialpolitik

Arbeits- und Sozialpolitik

(E: Ein Mensch kann nur in Würde leben, wenn er ein Recht auf Versorgung seiner Grundbedürfnisse und gesellschaftliche Teilhabe hat. Wir, die PIRATEN Niedersachsen, fordern deshalb eine an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Arbeits- und Sozialpolitik.)

Arbeitspolitische Zielsetzungen

Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für das Recht auf drei persönliche Feiertage für jeden volljährigen Menschen in Niedersachsen außerhalb von schulischer Ausbildung ein. Die jeweiligen Tage werden genau wie Urlaub angekündigt, deren Nutzung kann nur unter den gleichen Bedingungen wie Urlaub verweigert oder aufgehoben werden. Ebenso gelten die gleichen Bedingungen in der Lohnfortzahlung. Denn Niedersachsen hat mit neun landesweiten Feiertagen zusammen mit Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein bundesweit die geringste Zahl an landesweiten Feiertagen, die mit zwölf Tagen in Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und dem Saarland am höchsten ist. Diese Differenz ergibt sich aus regionalen religiösen Feiertagen, deren Kriterien in Niedersachsen nicht in ihrer Gesamtheit zutreffen. Im Sinne einer freien Religionsausübung ist es jedoch notwendig, zumindest die Möglichkeit dazu zu geben. Natürlich soll niemand gezwungen werden, diese Tage und die dann auch noch zur Religionsausübung zu nehmen. Aus Gründen der Gleichbehandlung ist es jedoch anzustreben, dass man diese Tage auch mit anderen Inhalten füllen kann. 

Aktuell ist eine Teilhabe in unserer auf Geldwirtschaft ausgerichteten Gesellschaft nur mit einem Einkommen möglich. Dieses kann nur durch Erwerbsarbeit erzielt werden, weshalb Vollbeschäftigung herrschen müsste. Das war bisher das Ziel der Wirtschaftspolitik und sollte durch wirtschaftsfördernde Maßnahmen sowie durch staatlich finanzierte  Arbeitsplätze erreicht werden. Wenn jedoch öffentliche Mittel eingesetzt werden, muss dies möglichst zielführend geschehen. Darum setzen wir uns für ein garantiertes Einkommen ein. Genauso wie die öffentliche Sicherheit, die Verkehrswege und weite Teile des Bildungssystems soll auch die Existenzsicherung ohne direkte Gegenleistung zur Verfügung gestellt werden. Daher stehen wir für Lösungen, die eine finanziell sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe individuell und bedingungslos garantieren und dabei auch wirtschaftliche Freiheit erhalten und ermöglichen. Wir wollen die Armut verhindern, nicht den Reichtum.

Bedingungsloses Grundeinkommen und Mindestlohn

Wir sind der Überzeugung, dass die überwältigende Mehrheit der Menschen eine sichere Existenz als Grundlage für die Entfaltung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsmöglichkeiten nutzen wird. Eine sichere Existenz schafft Freiräume für selbstbestimmte Bildung und Forschung sowie wirtschaftliche Innovation. Sie erleichtert und ermöglicht ehrenamtliches Engagement, die Pflege von Angehörigen, die Fürsorge für Kinder, unabhängigen Journalismus, politische Aktivität und die Schaffung von Kunst und freier Software. Davon profitiert die gesamte Gesellschaft.

Hierfür streben wir Modellversuche an, die eine breite wissenschaftlich fundierte Basis für die Einschätzung der Auswirkungen eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) bieten. Dazu sind zwei Regionen festzulegen, die in Sachen struktureller Arbeitslosigkeit, Armutsrisiko, Verschuldungsquote der öffentlichen Hand und weiterer im Beratungsprozess zu definierender Kriterien diametral verschieden sein, um eine Auswertung der Zahlungswirkung anhand der Extreme vornehmen zu können. Eine weitere Kontrollregion, die dem statistischen Durchschnitt entspricht, ist denkbar. In jedem der Gebiete sind wenigstens 1000 Personen zur Teilnahme aufgerufen.

Die Teilnahme am Modellversuch ist für jeden Bürger freiwillig. Das BGE ist ein steuerfreies Einkommen und an jeden Bürger zusätzlich zum Einkommen auszuzahlen. Sozialleistungen wie Kindergeld, Wohngeld, Grundsicherung im Alter und ALGII entfallen, jeder Teilnehmer erklärt sich dazu bereit. Um Ausfallzeiten bei der Rente zu vermeiden, sind entsprechende Anwartschaften aus dem BGE zu bedienen, ebenso die Beiträge zur Krankenversicherung. 

Das Projekt soll auf wenigstens fünf Jahre angelegt sein, die auszuzahlende Summe € 1000,- zzgl. Inflationsausgleich monatlich pro Einzelperson ab 18 Jahren bzw. € 500,- bis 18 Jahren nicht unterschreiten. Die Summe soll für einen bis zu 4-Personen-Haushalt € 2.500,- nicht überschreiten. Bei mehr als 4 Personen wird eine zusätzliche monatliche Summe von € 300,-  pro Person vorgeschlagen.

Sie steht jedem zu, der zu einem festzulegenden Stichtag mindestens seit sechs Monaten in den Anspruchsgebieten mit Erstwohnsitz gemeldet war bzw. in dieser Zeit dort geborenen wurde, und solange, wie im Anspruchsgebiet der einzige gemeldete Erstwohnsitz besteht. Zuziehende Bürger haben weiterhin Anspruch auf die allgemeinen Leistungen nach den  Sozialgesetzen, wegziehende Bürger haben diesen Anspruch erneut.

Uns ist klar, dass diese Ausgestaltung Bedingungen definiert. Für die Durchführung eines wissenschaftlichen Modellversuchs sind diese jedoch notwendig. Der Versuch endet vorzeitig bei der Einführung eines bundesweiten BGE

Reform des Landesvergabegesetzes

(G Landesvergabegesetz: Im Landesvergabegesetz werden die Richtlinien für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen geregelt.)

Bis zu dessen Einführung eines setzt sich die Piratenpartei Niedersachsen für eine Reform des Landesvergabegesetzes ein.
Demnach müssen Unternehmen in Niedersachsen, die sich um öffentliche Aufträge etwa von Kommunen oder Behörden des Landes bewerben,
– ihren  Arbeitnehmern mindestens einen Stundenlohn zahlen, der bei dauerhaftem Bezug vor Altersarmut schützt. Der Wert ist jährlich neu zu berechnen und liegt zur Zeit bei ca. € 15,-.
– ihren beschäftigten Leiharbeitern und Werkvertragskräften den gleichen Lohn wie den Stammarbeitskräften zahlen.
– Deren Anteil an der Gesamtbelegschaft soll 5% nicht überschreiten.
– Diese Auflagen gelten auch für nachgeschaltete Unternehmen (sog. Subunternehmer).
Zudem sollen bei öffentlichen Ausschreibungen Mindeststandards für Umwelt- und Energieeffizienzkriterien bei öffentlichen Beschaffungen und Aufträgen eingehalten werden.

Beratungsstellen für ausländische Arbeitnehmer

Da alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleich sind, gilt dies auch für den Arbeitsmarkt. Jeder Arbeitnehmer soll einen vergleichbaren Lohn für vergleichbare Arbeit  bekommen. Dieser soll sich ausschließlich an seiner Qualifikation orientieren und unabhängig von der Herkunft des Arbeitnehmers sein. Das Recht auf persönliche Lohnverhandlungen ist davon natürlich nicht betroffen.

Seit Inkrafttreten des Arbeitnehmerendsendegesetzes kommt es zu einem verstärkten Zustrom insbesondere osteuropäischer Arbeitnehmer. Diese kennen ihre Rechte oftmals nicht. Deshalb fordern wir die Einrichtung von Beratungsstellen für ausländische Arbeitnehmer. Die Piratenpartei Niedersachsen fordert die (Wieder-)Einführung von in der Vergangenheit existenten und weiteren Beratungsstellen für ausländische Arbeitnehmer unabhängig von der Branche. Da alle Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleich sind, gilt dies auch für den Arbeitsmarkt.

Bei der Verbesserung der Arbeitssituation muss der öffentliche Dienst mit gutem Beispiel vorangehen.

Abschaffung der Zeitverträge im öffentlichen Dienst

Daher ist es unser Ziel in Niedersachsen, Zeitverträge im öffentlichen Dienst abzuschaffen bzw. vorhandene in unbefristete Arbeitsverträge umzuwandeln. 

In der Agentur für Arbeit sowie in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Soziales der öffentlichen Hand werden Mitarbeiter mit Zeitverträgen eingesetzt. Die in der freien  Wirtschaft gängige Argumentation, Zeitverträge seien eine Voraussetzung, um flexibel auf die  Wirtschaftslage reagieren zu können, kann für Kommunen, Land und Staat nicht gelten. Dem Staat sollte es möglich sein, eine mittel- bis langfristige Personalplanung zu realisieren, die den neu eingestellten Mitarbeitern eine Perspektive ohne Zeitverträge bietet und sie nicht erpressbar macht.

Gesellschaftliche Forderungen

Neben der arbeitspolitischen Perspektive setzen wir uns ebenfalls für eine Sozialpolitik ein, die sich der gesellschaftlichen Probleme bewusst ist und diesen entgegenwirkt.

Jugendförderung

So lehnen wir den stetigen Rückzug des Landes aus der Finanzierung der Jugendarbeit ab und setzen uns statt dessen für einen Ausbau der Mittel der Niedersächsischen Landesjugendarbeit ein. Dabei sollen wenigstens Rückgänge der Vergangenheit und die Inflationsrate ausgeglichen werden. Die Förderung der Kinder- und Jugenderholung soll wieder aufgenommen, die Zuschüsse für die bauliche Unterhaltung von Bildungsstätten wieder wenigstens auf das Maß von 2004 erhöht werden. Denn Jugendarbeit ist ein wichtiges Element der Gesellschaft und sorgt für geringere Ausgaben in der Zukunft. Alle Vereine, die Jugendarbeit leisten, sowie alle Jugendhäuser sind zu erhalten und zu unterstützen. Jugendhäuser sind wichtige gesellschaftliche Begegnungsstätten. Wie die Sport- und Musikvereine fördern sie den kulturellen Austausch, vermindern sprachliche und kulturelle Barrieren und erleichtern unser aller Zusammenleben. Zur Förderung der Bildung von Kindern und Jugendlichen setzen wir uns darüber hinaus für den Erhalt und Ausbau kostenfreier Büchereien ein.

Gewalt als gesamtgesellschaftliches Problem

Gewalt betrachten wir als ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht durch reflexartige, einfache Schuldzuweisungen unter den Teppich gekehrt werden darf. Darum lehnen wir es ab, Menschen zu stigmatisieren, die ihre Freizeit mit Computerspielen, Paintball oder vergleichbaren Aktivitäten verbringen.

Stattdessen wollen wir den verantwortungsbewussten Umgang mit solchen spielerischen Freizeitaktivitäten fördern und Maßnahmen zur Konfliktlösung und Gewaltprävention ausbauen. Die schulpsychologische Beratung soll dahingehend erweitert werde, pädagogisch-psychologische Fachkräfte flächendeckend in Schulen, Beratungsstellen und Jugendzentren sowie in der Erwachsenenbildung einzusetzen. 

Internetmobbing als ernstzunehmendes Problem

Ein weiteres ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem, welches viele Menschen und gerade Kinder und Jugendliche betrifft, stellt das Internetmobbing dar. Das 21. Jahrhundert bietet durch das Internet und weitere technische Errungenschaften viele neue Möglichkeiten zur schnelleren und unkomplizierten zwischenmenschlichen Kommunikation. Trotz aller Vorteile, die das Internet bietet, können seine Nachteile jedoch nicht übersehen werden. Deshalb setzen wir uns auch speziell gegen diese Form des Mobbings ein. Durch enge Zusammenarbeit mit zuständigen Stellen und aktive Mitarbeit an Aufklärungsprojekten tragen wir unseren Teil zur Prävention von Internetmobbing bei. Mobbing darf nicht zum Hindernis für den wünschenswerten Umgang mit dem Internet werden.

Mittendrin statt nur dabei – ungehindert behindert

(Inklusion: Von Inklusion wird gesprochen, wenn jeder Mensch als Individuum von der Gesellschaft akzeptiert wird und die Möglichkeit hat, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.)

Ebenfalls ein wichtiges Ziel unserer Sozialpolitik ist die konsequente Umsetzung des Inklusionsgedanken der UN-Behindertenrechtskonvention. Dabei stellt die UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen den rechtlichen Rahmen für eine Gesellschaft dar, an der jeder nach seinen Möglichkeiten gleichberechtigt teilnehmen kann. Dies bedeutet aus unserer Sicht eine Herausforderung für alle staatlichen Institutionen und für die Zivilgesellschaft und erfordert politisches Handeln und landesweite Strategien.

Ein wichtiger Aspekt ist es, die Teilhabe der Behinderten zu verbessern. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass die gesetzlichen Richtlinien angepasst werden und insbesondere in Ämtern und Behörden sowie in Bildungseinrichtungen die Barrierefreiheit massiv ausgebaut wird. Deren Umsetzung im ÖPNV muss schneller als bislang geschehen. Um dies zu unterstützen, muss barrierefreies Bauen ein fester Bestandteil der Architektenausbildung werden.

Im Bereich der schulischen Inklusion sind die Klassengrößen unbedingt zu verkleinern und die sachliche und personelle Ausstattung an den individuellen Erfordernissen auszurichten, sowie kurzfristig und unbürokratisch bereitzustellen.

Auch die Eingliederung ins Berufsleben ist ein Schritt in Richtung Inklusion. Aus diesem Grund kritisieren wir, dass Unternehmen sich aus der Pflicht, Menschen mit Behinderungen eine Anstellung zu ermöglichen, „freikaufen“ können. Der Druck auf niedersächsische Unternehmer, mehr Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen und Arbeitsplätze  entsprechend zu gestalten, muss wachsen. Dabei darf kein weiterer Niedriglohnsektor entstehen. Menschen mit Behinderungen sollen in regulärer, tariflich gebundener Erwerbsarbeit ihren Platz finden.

(Behindertenbeiräte: Betroffenenselbstorganisationen, die aktuell auf kommunaler Ebene bestehen.)

Um Betroffenen mehr Mitsprachemöglichkeiten zu geben, setzen wir uns dafür ein, dass Behindertenbeiräte ein Vetorecht erhalten und von den Betroffenen demokratisch gewählt statt wie bisher eingesetzt werden. Zusätzlich sollen die Beteiligungsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen auf kommunaler und Landesebene ausgebaut werden, indem  weitere Selbsthilfegruppen und Verbände gefördert werden.

Insgesamt muss Inklusion in Niedersachsen selbstverständlich werden, weshalb wir uns für landesweite Foren einsetzen. Dort sollen alle Beteiligten der Inklusion vertreten sein, um einen gesellschaftlichen Veränderungsprozess in Gang zu bringen.

Auch kann es nicht sein, dass behinderte Menschen kein Vermögen besitzen dürfen bzw. kein Recht auf ein Einkommen von über 1400 € haben, wenn sie Eingliederungshilfen oder eine persönliche Assistenz erhalten möchten. Deshalb werden wir uns für eine Bundesratsinitiative einsetzen, nach der diese Maßnahmen nicht mehr unter die Sozialhilfe fallen.

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