Wir, die PIRATEN Niedersachsen, stehen für eine zeitgemäße Geschlechter und Familienpolitik. Diese basiert auf dem Prinzip der freien Selbstbestimmung über Angelegenheiten des persönlichen Lebens. Wir setzen uns dafür ein, dass die Politik den vielfältigen Lebensstilen gerecht wird. Jeder Mensch muss sich frei für den selbstgewählten Lebensentwurf und die von ihm gewünschte Form gleichberechtigten Zusammenlebens entscheiden können. Das Zusammenleben von Menschen darf nicht auf der Bevorzugung oder Benachteiligung Einzelner gründen.
Freie Selbstbestimmung unabhängig von sexueller Identität und geschlechtlicher Vielfalt
Wir stehen daher für eine Politik, die die freie Selbstbestimmung von geschlechtlicher und sexueller Identität und Orientierung respektiert und fördert. Fremdbestimmte Zuordnungen zu einem Geschlecht oder zu Geschlechterrollen lehnen wir ab. Daher wollen wir geschlechtszuweisende Operationen bei Kindern (sofern diese sich nicht selbst dafür entschieden haben) ebenso abschaffen, wie den Zwang zum geschlechtseindeutigen Vornamen. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Geschlechterrolle, der sexuellen Identität oder Orientierung ist Unrecht, weshalb wir auch die Erfassung des Merkmals „Geschlecht“ durch staatliche Behörden ablehnen.
Infolgedessen sind wir aufgeschlossen gegenüber dem Forderungspapier des LSVD Niedersachsen-Bremen zur Landtagswahl 2022. Dieses enthält eine Vielzahl von Punkten, die ausschließlich auf bundespolitischer Ebene beschlossen werden können. Diese Aspekte werden wir erfolgsversprechend über die Fachministerkonferenzen einbringen, wenn wir in der Regierung vertreten sind. Um daraus resultierend keine falschen Erwartungen zu wecken, konzentrieren wir uns in der Folge auf die Aspekte, die in landespolitischer Verantwortung umsetzbar sind.
Bekämpfung von queerfeindlicher Hasskriminalität
Queerfeindliche Hasskriminalität trifft Menschen, die in ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität von der CIS-Heteronormativität abweichen. Wir erkennen an, dass es sich dabei in den wenigsten Fällen um eine Angst handelt, wie sie durch Begriffe wie „Homophobie“ oder „Transphobie“ in der Gesellschaft vielfach genutzt werden. Daher sprechen wir in der Folge von Straftaten gegen die sexuelle Identität und geschlechtliche Vielfalt.
Wir setzen uns für die Unterstützung von Initiativen ein, welche die Akzeptanz und Selbstbestimmung sexueller Identität und geschlechtlicher Vielfalt fördern. Ziel soll sein, eine Auseinandersetzung mit der Ablehnung ebendieser in der Gesellschaft zu initiieren und einen positiven Wandel zum Respekt von selbstbestimmten Lebensentwürfen zu erwirken.
Straftaten gegen die sexuelle Identität und geschlechtliche Vielfalt sollen in die polizeiliche Kriminalstatistik separat aufgenommen werden, um den Umfang der Problematik sichtbar zu machen.
Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität in die Landesverfassung
Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich dafür ein, dass der Artikel 3 Absatz 3 der Niedersächsischen Verfassung um die Merkmale der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität erweitert wird. Beispielsweise Bremen ist Niedersachsen schon einen großen Schritt voraus und hat den Punkt der sexuellen Vielfalt im Jahr 2000 in seine Verfassung aufgenommen.
Sexuelle Identität und geschlechtliche Vielfalt in die Gesetze
Bislang ist lediglich in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien festgeschrieben, dass bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu beachten sind. Daher setzen wir uns dafür ein, dass alle Vorlagen die Auswirkungen auf die sexuelle Identität und geschlechtliche Vielfalt ausweisen.
Schaffung eines LSBTIQ*-Beirats
Gesetzesvorhaben zu LSBTIQ*-Themen haben häufig eine parteipolitische Färbung und selten Expertise von der queeren Community, insbesondere, wenn sie von nicht dieser verschriebenen Parteien kommen. Hier gilt es, in allen Fällen sicherzustellen, dass eine fachliche Stellungnahme vorliegt. Wir dringen auf die Schaffung eines Beirates, der automatisch bei Gesetzesvorhaben mit Wirkung auf die LSBTIQ*-Community eingebunden wird.
Finanzierung queerer Projekte
In Niedersachsen gibt es viele queere Projekte zur Beratung, Aufklärung, Schaffung von Anlaufstellen und weiteren Themen. In den meisten Fällen befinden dieses sich in den gröeren Städten, die oftmals mit kommunalen Mitteln unterstützt werden. Dies freiwilligen Leistungen unterliegen den haushaltsrechtlichen Möglichkeiten, die in den Zeiten knapper Kassen als erstes dem Rotstift zum Opfer fallen. Demgemäß profitiert der ländliche Raum, dem auch in guten Zeiten derartige Mittel nicht zur Verfügung stehen, wenig bis gar nicht von diesen Projekten. Daher werden wir in den Haushaltsverhandlungen Wert darauf legen, für eine auskömmliche und bedarfsgerechte Finanzierung zu Erhalt und Ausbau von queeren Projekten, Safe Places und Beratungsstrukturen in Niedersachsen zu sorgen.
Ausstellung von Urkunden für Transpersonen
Jeder Mensch erhält in seinem Leben Zeugnisse verschiedenster Art, egal ob in der Schule, der Universität oder den sonstigen mit seinem Namen verbundenen Urkunden. Transgeschlechtliche Menschen können Schulzeugnisse nach der Namens- und Personenstandsänderung zwar neu beantragen, bekommen jedoch nur eine Zweitschrift mit den geänderten Daten. Bei jungen Menschen werden diese noch eine ganze Zeit genutzt und die Erfahrung vieler Transpersonen zeigt, dass häufig der Grund für die Zweitschrift erfragt wird und dies bei wahrheitsgemäßer Beantwortung einem Zwangsouting gleich kommt.
Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich dafür ein, dass von Schulen, Universitäten und Behörden in Niedersachsen ausgestellte Urkunden nach einer Geschlechtsänderung mit dem neu gewählten Namen als neue Erstschrift ausgestellt werden. Eine als Zweitschrift ausgestellte Urkunde führt oftmals zum Zwangsouting.
Schaffung von Anlaufstellen für LSBTIQ* bei Behörden
Viele queerfeindliche Übergrife werden oft aus Schamgefühl nicht zur Anzeige gebracht. Das ist aber nicht der einzige Grund. Gerade LSBTIQ*-Menschen haben Angst, nicht ernst genommen oder gar bei der Polizei Opfer von Queerfeindlichkeit zu werden. Wir setzen uns daher für die Schaffung von Anlaufstellen für LSBTIQ* bei allen Landesbehörden, insbesondere Polizei und Staatsanwaltschaften ein. Diese kommen auch bei Stellung von Anzeigen aufgrund von LSBTIQ*-feindlichen Angriffen, Opferberatung und Information zum Einsatz. Dazu müssen die Grundlagen in der Ausbildung gelegt werden.
Sport- und Toilettenanlagen für alle Geschlechter bereitstellen
Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für eine Änderung der Niedersächsischen Bauordnung dahingehend ein, dass Maßnahmen, wie adäquate Umkleiden, Dusch- und WC-Anlagen Voraussetzung für den Betrieb von Sportanlagen werden, um auch trans- und intergeschlechtlichen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich im Sport frei entfalten zu können. Umbaumaßnahmen bestehender Sportstätten sollen finanziell unterstützt werden. Hinsichtlich von WC-Anlagen sehen wir so genannte Uni-Sex-Toiletten, wie sie bereits vielfach für die behindertengerechten Toiletten genutzt werden, als adäquate Möglichkeit der Umsetzung. Diese sollen in allen öffentlichen Gebäuden und auf Sportanlagen Standard werden.
Kinder und hilfsbedürftige Menschen benötigen besonderen Schutz
Unabhängig vom gewählten Lebensmodell brauchen Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen oder hilfsbedürftige Menschen versorgt werden, einen besonderen Schutz. Kinder zu haben, darf nicht zu Diskriminierung oder Benachteiligung führen. Aus der geschlechtlichen oder sexuellen Identität bzw. Orientierung darf sich weder ein Vorrecht noch eine Verpflichtung zu einer höheren oder geringeren Einbindung in die Kinderversorgung ergeben. Wir setzen uns dafür ein, noch bestehende, gesellschaftliche Erwartungshaltungen abzubauen, und eine tatsächlich freie, individuelle Entscheidung zu ermöglichen.
Für das Ermöglichen jeder Betreuungsform
Wer für einen selbstbestimmten Lebensentwurf von Familien einsteht, darf keine Betreuungsform bevorzugen oder benachteiligen. Wir wollen alle Betreuungsformen gleich behandeln, sei es die Betreuung durch eine staatliche Kindertagesstätte, einen Kinderladen, Tagesmütter (oder -väter) oder durch die eigenen Eltern. Wir glauben, dass die Mehrheit der Eltern selbst am ehesten in der Lage ist, solche Fragen zum Wohl ihrer Kinder zu entscheiden.
Das einseitige Subventionieren einzelner Betreuungsformen lehnen wir daher ab. Stattdessen wollen wir uns dafür einsetzen, dass perspektivisch jede Betreuungsform gleichberechtigt allen Eltern finanziell möglich ist, faktisch zur Verfügung steht und die Fremdbetreuenden ein gutes pflegerisches und erzieherisches Angebot unterbreiten können.
Wir beobachten in Niedersachsen in vielen Gemeinden eine weitaus höhere Nachfrage nach Betreuungsplätzen in allen Altersgruppen. Wir sehen daher die Landesregierung Niedersachsens in der Pflicht, die Kommunen beim Bau und der Ausstattung derartiger Einrichtungen finanziell zu unterstützen, sowie sich gegenüber dem Bund und der Europäischen Union für praxisgerechte Regelungen für Tagesmütter und -väter einzusetzen.
Davon unberührt wollen wir auf Bundesebene die Besteuerung von Familien reformieren und das Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe für alle Familienmitglieder realisieren. Beides ermöglicht die Betreuung durch die Eltern.
Jugendförderung
Den stetigen Rückzug des Landes aus der Finanzierung der Jugendarbeit lehnen wir ab und setzen uns statt dessen für einen Ausbau der Mittel der Niedersächsischen Landesjugendarbeit ein. Dabei sollen wenigstens Rückgänge der Vergangenheit und die Inflationsrate ausgeglichen werden. Die Förderung der Kinder- und Jugenderholung soll wieder aufgenommen, die Zuschüsse für die bauliche Unterhaltung von Bildungsstätten wieder wenigstens auf das Maß von 2004 erhöht werden. Denn Jugendarbeit ist ein wichtiges Element der Gesellschaft und sorgt für geringere Ausgaben in der Zukunft. Alle Vereine, die Jugendarbeit leisten, sowie alle Jugendhäuser sind zu erhalten und zu unterstützen. Jugendhäuser sind wichtige gesellschaftliche Begegnungsstätten. Wie die Sport- und Musikvereine fördern sie den kulturellen Austausch, vermindern sprachliche und kulturelle Barrieren und erleichtern unser aller Zusammenleben. Zur Förderung der Bildung von Kindern und Jugendlichen setzen wir uns darüber hinaus für den Erhalt und Ausbau kostenfreier Büchereien ein.
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