Freiheit bedeutet auch, bis ins hohe Alter ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Alte Menschen sind dazu oft auf die Solidarität der – noch – jüngeren angewiesen. Deshalb wollen wir, die PIRATEN Niedersachsen, dass auch künftig Gesunde für Kranke, Arbeitende für Arbeitslose, Junge für Alte und Alte für Junge eintreten. Nur eine solidarische Gesellschaft kann Freiheit und Selbstbestimmung für jeden ermöglichen.
Das Gesundheitswesen ist für uns eine Solidaraufgabe und kein Geschäftsmodell. Geburtshilfe, Krankenversorgung, Verbraucherschutz, Polizei oder Feuerwehr – viele öffentliche Aufgaben können nicht kostendeckend erbracht werden und sind trotzdem oder gerade deshalb Eckpfeiler staatlicher Grundsicherung. Genau für diese Leistungen erhält der Staat von uns Steuern. Rekommunalisierung und verbesserte Finanzierung von Krankenhäusern.
Rekommunalisierung und verbesserte Finanzierung von Krankenhäusern
Rekommunalisierung: Als “Rekommunalisierung” bezeichnet man die Rückführung privatisierter Infrastrukturen in die Hand der Landkreise und Städte. Die Krankenversorgung und der Betrieb von Krankenhäusern waren lange Zeit Aufgaben, die bei den Landkreisen, Kommunen und gemeinnützigen, privaten Trägern (z. B. Kirchen, Stiftungen, Vereinen) mit finanzieller Unterstützung des Landes lagen. Krankenbetreuung war und ist ein marktwirtschaftliches Verlustgeschäft – zumindest dann, wenn tarifliche Löhne gezahlt werden und ein öffentliches Bau- und Betriebsmanagement finanziert werden muss. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts begannen daher Länder und Kreise, die Zahl der eigenen Krankenhausplätze (sogenannte Krankenhausbetten) abzubauen – ersatzlos oder indem man sie privatisierte, also kommerzielle Träger (Firmen) die Krankenhäuser übernahmen. Diese Firmen versprachen sich Gewinne aus einer Krankenbetreuung, wenn sie Tarife frei aushandeln und ohne öffentliche Aufsicht nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten könnten. Dass dies nicht in jedem Fall erfolgreich war, belegen die Fälle, in denen privatisierte Krankenhäuser letztlich geschlossen wurden oder nur mit Hilfen aus der öffentlichen Hand erhalten werden konnten.
Wohnortnahe Krankenversorgung in Krankenhäusern mit öffentlichen und gemeinnützigen Trägern
Niedersachsen ist ein Flächenland. Wir wollen trotzdem überall in Niedersachsen eine ausreichende Zahl wohnortnaher Krankenhausbetten zur Verfügung stellen. Medizinische Versorgung auf höchstem, technischem Niveau darf keine Frage des Wohnorts oder der Wirtschaftlichkeit sein – Krankenversorgung ist Teil der staatlichen Daseinsfürsorge.
Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass sich private, kommerzielle Krankenhausträger auf die gewinnträchtigeren, städtischen Standorte konzentrieren. Viele Krankenhäuser in kommunaler Hand oder gemeinnütziger Trägerschaft, vor allem auf dem Land, wurden geschlossen und Bettenzahlen in der Fläche abgebaut.
Bettenzahlen: Die medizinische Versorgung im stationären Bereich wird allgemein als Zahl der Krankenhausbetten im Verhältnis zur Einwohnerzahl beschrieben. Niedersachsen gehört zu den Bundesländern mit der niedrigsten Krankenhausbettenzahl je Einwohner.
Um Verluste in der Fläche im Sinne einer Art Finanzausgleich zwischen den Standorten ausgleichen zu können, wollen wir auch die Standorte in Ballungsgebieten und Mittelzentren wieder in öffentliche bzw. gemeinnützige Hand bringen und die Krankenhausversorgung in Niedersachsen flächendeckend rekommunalisieren.
Wir wissen, dass dies eine große Aufgabe wird – die niedersächsische Krankenhausgesellschaft beziffert allein den aktuellen Investitionsbedarf auf über eine Milliarde Euro. Wir wissen aber auch, dass jetzt gehandelt werden muss, um die Kosten nicht noch weiter ansteigen zu lassen und eine drohende Monopolbildung bei den privaten Trägern abzuwenden. Hierzu setzen wir uns für folgende Punkte ein:
1. Die notwendigen Investitionskosten von Krankenhäusern werden zu 100% vom Land Niedersachsen getragen.
2. Die auf Bundesebene erstellten Verrechnungssätze für die Vergütung von Krankenhausleistungen dürfen vom Land nicht mehr unterschritten werden.
3. Die Vergütungen für notfallmedizinische Behandlungen dürfen nicht unter den verursachten Kosten liegen.
In unterversorgten Gebieten erhalten Kommunen das Recht, haus- und fachärztliche Vertragsarztsitze zu übernehmen und dort Ärzte anzustellen, wenn bestehende Kassensitze keine neuen Inhaber finden. Zudem sollen mobile Arztpraxen in öffentlicher Hand Einzug in die Regelversorgung finden können.
Wieder flächendeckende Geburtshilfe
Zusätzlich wollen wir dafür sorgen, dass eine wohnortnahe Geburtshilfe wieder flächendeckend möglich ist, weil wir auch die Geburtshilfe als Teil der elementaren Daseinsvorsorge und als staatliche Aufgabe für Sie als Einwohner ansehen. Durch eine Anpassung der Förderrichtlinien sollen die Krankenhäuser in Niedersachsen wieder eigene geburtshilfliche Abteilungen in öffentlichen Krankenhäusern bereitstellen können. Denn der Abbau von diesen Abteilungen und ihre Konzentration auf einzelne Standorte führen zu unzumutbaren und teilweise kritischen Situationen für werdende Mütter und deren Nachwuchs.
Hintergrund: Inzwischen gibt es eine Reihe von Landkreisen in Niedersachsen ohne eigene geburtshilfliche Abteilungen. Wir sehen diese Entwicklung mit Sorge.
Ausbau des Bestandes von Babyklappen
Geboren um zu leben. Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich sich für den Erhalt und Ausbau des Bestandes an sogenannten “Babyklappen“ ein. Sie ermöglichen eine wirklich anonyme Geburt und reduzieren mögliche Kindstötungen bzw. das Aussetzen von Kindern an anderen Orten. Wir streben eine gesetzliche Regelung an, die eine Babyklappe in jedem Geburts- und Krankenhaus mit Geburtsstation in Niedersachsen vorsieht. Vier davon in ganz Niedersachsen sind definitiv zu wenig. Zudem bleibt die Möglichkeit, sich umzuentscheiden und das Kind wieder zurückzuholen. Auch entfällt die nach § 219 StGB notwendige Beratung.
Screening im Gesundheitswesen
Vorsorge ist besser als Nachsorge! Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für die stärkere Nutzung wissenschaftlich anerkannter Vorsorgeuntersuchungen als bisher ein. So wollen wir die Hygienevorschriften erweitern, dass ein Test auf multiresistente Keime bei planbaren Krankenhausaufenthalten bereits im Vorfeld zu erfolgen hat. Alle anderen Patienten sollen prinzipiell bei Beginn ihres Krankenhausaufenthaltes auf MRSA und andere multiresistente Keime untersucht werden.
Rettungsdienste und Erste Hilfe
Absenkung der Hilfsfrist
Die Hilfsfrist bezeichnet die Zeit zwischen Alarmierung und Eintreffen des ersten Rettungsmittels, zumeist Notarztwagenbesatzungen. Die bisherigen Regelungen haben ihre Grundlage im Jahr 1993. Nach knapp 25 Jahren ist es an der Zeit, in einer immer älter und damit auch für die Inanspruchnahme von Rettungsdiensten anfälligeren Gesellschaft, über eine Verkürzung der Hilfsfrist nachzudenken. Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich dafür ein, die bisherigen Regelungen für 95% der Einsatzfälle innerhalb von 15 Minuten am Einsatzort zu sein auf 12 Minuten zu senken.
Mindeststandards für die Ausstattung des Rettungsdienstes
Wir setzen uns für das Festschreiben hoher und verbindlicher Mindeststandards für die technische und personelle Ausstattung im Rettungsdienst und Krankentransport im niedersächsischen Rettungsdienstgesetz ein. Die unabhängig zu ermittelnden Mindeststandards müssen dabei regelmäßig an aktuelle, medizinische Standards angepasst werden. Das Ziel ist, eine optimale Versorgung von Patienten und Hilfebedürftigen zu gewährleisten.
Defibrillatoren in Polizeifahrzeugen
Schnelle Hilfe rettet Leben. Die Piratenpartei setzt sich für die Ausstattung sämtlicher Funkstreifenwagen der Polizei mit halbautomatischen Defibrillatoren für die Laienanwendung (sogenannte AED) ein. Die Polizisten können dann bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes bereits unterstützte lebensrettende Reanimationsmaßnahmen durchführen. Es ist sicherzustellen, dass alle im Streifendienst aktiven Polizeibeamten regelmäßig in erweiterter Erster Hilfe geschult werden.
Erste Hilfe
Aber nicht nur die professionelle Erstversorgung muss verbessert werden, sondern auch die Kenntnisse über die Erste Hilfe, damit wir alle in Notsituationen richtig reagieren können. Aus diesem Grund wollen wir die Finanzierung von Erste-Hilfe-Lehrgängen reformieren und die Kurse attraktiver gestalten. Erste Hilfe an Mitmenschen in Notsituationen darf weder an mangelnden Kenntnissen Hilfeleistender noch an finanziellen Aspekten der Ausbildung zur Ersten Hilfe scheitern. Wir halten es zudem für sinnvoll, schon vor Erwerb des Führerscheins mit den Grundkenntnissen der Ersten Hilfe vertraut zu sein. Daher streben wir deren altersgerechte Ausbildung als integralen Bestandteil der allgemeinen Schulbildung an
Hintergrund: Die Pflicht, Erste Hilfe zu leisten, gehört zu den Bürgerpflichten und leitet sich in Deutschland aus dem StGB §323c ab, nach dem die “Unterlassene Hilfeleistung” unter Strafe steht. Eine Verpflichtung, die Grundlagen der Ersten Hilfe zu erlernen, besteht jedoch nur im Zusammenhang mit dem Erwerb des Führerscheins und den damit verbundenen “Lebensrettenden Sofortmaßnahmen”.
First-Responder ausbilden
Die Piratenpartei Niedersachsen setzt sich für die Flächendeckende Ausbildung und Ausrüstung von First-Respondern ein. Angesiedelt werden sollen diese bei den örtlichen Feuerwehren und Hilfsorganisationen.
Facharzt für Notfallmedizin einführen
Wir PIRATEN setzen uns dafür ein, auf Bundesebene die Ausbildung von Notärzten zu reformieren. Entgegen der bisherigen Praxis, dass auch Assistenzärzte mit einem Lehrgang von 80 Stunden sich als Notarzt betätigen können, sollte nach europäischem Vorbild eine Facharztausbildung Notfallmedizin geschaffen werden, die so wie alle anderen Fachärzte über 5 Jahre geht.
Pflege
Kontrollen in Pflegeheimen grundsätzlich unangekündigt durchführen
Die Coronakrise hat vielfältige Probleme in der Pflege offenbart. Hier sollte die Politik zum Schutz der Menschen eingreifen und tätig werden. Die bestehenden und zukünftigen Regelungen, Verordnungen und Gesetze nützen nichts, wenn die Träger der Einrichtungen von Kontrollen wissen. In diesem Fall können sie Missstände beheben oder verschleiern, was keinen Mehrwert für die Menschen bedeutet, sondern die Pflegekräfte teilweise noch zusätzlich belastet. Pflegekräfte die Missstände anprangern werden gemobbt, weswegen sie das Risiko einer Meldung scheuen und das einzig wirksame Mittel sind verdachtsunabhängige, regelmäßige Kontrollen.
Mindeststandards bei der Arbeitszeit von Pflegekräften einhalten
Bislang sind die Arbeitszeitbedingungen kein Bestandteil der Festlegung von Pflegeschlüsseln. Demgegenüber gibt es aktuelle arbeitswissenschaftliche Vorschläge, wie Schichtpläne und Arbeitszeiten aufgebaut werden. Werden diese eingehalten, kommt es zu verbindlicheren Bedingungen für Pflegekräfte, die gleichzeitig eine Überbelastung verhindern. Dies dient sowohl dem Wohl der Beschäftigten wie auch der zu pflegenden Personen. Daher setzen wir uns dafür ein, über eine Bundesratsinitiative einen Mindeststandard festzulegen, der die Arbeitszeit von Pflegekräften regelt. Dieser orientiert sich an aktuellen arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen und wird Bestandteil der Verhandlungen über Pflegeschlüssel.
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